"Junge Menschen mit Migrationshintergrund sind trotz ihrer persönlich
teils schwierigen Lebensbedingungen bereit, sich politisch und
gesellschaftlich einzubringen. Jedoch ist es eine Tatsache, dass sie es
schwerer haben als andere, sich mit ihren Wünschen und Forderungen Gehör
zu verschaffen. Denn Politik und Gesellschaft sprechen überwiegend über
sie und nicht mit ihnen."
Als ich das heute gelesen habe, ärgerte ich mich. Wer merkt eigentlich, wie unscharf die Kategorie "mit Migrationshintergrund" gefasst ist? Kann man sich irgendwo hinwenden und bitten, die Kategorie "mit Migrationshintergrund" nicht mehr zu gebrauchen? Kann man keinen passenderen, konkreteren "Container" finden, in den man allen gut gemeinten Rat und jede gute Tat hineingibt? Wenn sich niemand wehrt, dann könnte man Menschen "mit Migrationshintergrund" ab sofort und ohne Umwege in die Nachsorgeinstitutionen der Sozialen Arbeit überweisen.
Wie wär's denn mit "Lebewesen mit Bewegungskontext" oder "Zweibeiner"?
AntwortenLöschenEs schreit nach Hilflosigkeit in einer Zeit der Zuschreibungsratlosigkeit. "Gastarbeiter(kind)" hatte ja noch Assoziationen ausgelöst, indem einerseits eine soziale Lage "Arbeiten" grob umchrieben wird und sich dabei das scheinbare Motiv der Auswanderung oberflächlich zu erkennen gibt. Was ist mit den Tausenden von Liebesmigranten, Bildungsmigranten von der Uni, Flüchtlingen (vor der Schwiegermuter, der Armut, Langeweile, Wirtschaft oder Politik) und Abenteurern?? Oder ist vielleicht der Beweggrund einfach nur die Bewegung (= migrieren)? Man schämt sich seltsam und fühlt sich betroffen, wenn man als Migrationshintergründler bezeichnet wird - und dann nicht man selbst, sondern die Eltern gemeint sind.
Die Unfähigkeit zur Differenzierung erfolgt zu Lasten der vielen Kinder, die doch alle ganz unbedarft gerade aus der selben Geburtsklinik kommen, aber sofort ein soziales Erbe der Großeltern antreten. Die Kleinen fragen sich bestimmt: "Was geht die da draußen an, was die Großeltern angetrieben hat, ihr Heimatland zu verlassen? Und warum wird mir diese Geschichte immer angehängt?"