Es könnte ein interessantes Unterfangen sein, den Inklusionsbegriff für die Arbeit an der Karriere "scharf" zu stellen. Die Inklusion der Soziologie ist ja eine andere als die Inklusion der Behindertenpädagogik. Für die Arbeit an der Karriere scheint mir die soziologische Bestimmung brauchbarer.
Eine Fachfrau aus der Behindertenpädagogik schilderte mir ihre Idee von Inklusion in etwa so: Es wird nicht mehr f ü r Menschen gearbeitet, sondern m i t ihnen. Die Vorstellung des "zu Betreuenden" auf der einen und des "Betreuers" auf der anderen Seite wird komplett aufgelöst. Wohnen, Schule und Freizeitgestaltung sind damit Themen, die alle betreffen und keinerlei Sonderstatus verdienen. Um berufliche Inklusion zu fördern, müssten die Übergangsschritte ganz weich sein. D.h. Jugendliche wären schon ein (unsichtbarer) Bestandtteil der Arbeitswelt, obwohl sie noch lange zur Schule gehen. Hmm, bin gespannt wie man das "scharf gestellt" kriegt.
AntwortenLöschen"Für" oder "mit" Menschen zu arbeiten ist eine Beobachtung, die ich nicht teile. Theoretisch kann man das sehr schlecht fassen. Was heißt das genau, wenn ich "für", wenn ich "mit" Menschen arbeite? Die Vorstellung Asymmetrien (Betreuer/Betreute)aufzulösen, klingt angenehm, wirkt für mich aber ein wenig wie "Interaktionszuckerguss". Wenn ich mir vorstelle, dass Lehrer auf die Idee kommen, nicht mehr von SchülerInnen und LehrerInnen zu sprechen, sondern nur noch von "Lernenden" oder "SchulbesucherInnen", dann ist das - aus meiner Sicht - nicht redlich. Ich glaube nicht, dass LehrerInnen auf ihr Gehalt verzichten würden, oder an SchülerInnen etwas abgeben würden.
AntwortenLöschenWenn ich Deine Spekulation zu "Jugendliche als Bestandteil der Arbeitswelt" weiter betreibe, so könnte man doch sicherlich sagen, dass Jugendliche auch, bevor sie Auszubildende werden, im System Wirtschaft eine große Rolle spielen. Sie haben ja bereits Geldmittel, sind eine interessante Käuferschicht, mit ihnen kann man gute Geschäfte machen. Auch wenn sie nicht zahlen können, sind sie für die Wirtschaft als Schuldner hoch relevant.
Die Inklusion im Rahmen der Ausbildung erfolgt auf Organisationsebene. Die Auszubildenden werden kommunikativ als Mitglieder von Organisationen relevant. Sie übernehmen die Rolle des Azubis, diese wird konkretisiert in der Form der Person. "Azubi" ist das allgemeine Rollenschema, die Person-xy ist das konkrete Kommunikationsbündel, das bestimmt, ab wann das Individuum abweicht von der gebildeten Erwartung. Wird das Individuum der Erwartung an die Person-xy gerecht? Kann sich das Individuum "einreden" mit der Person-xy identisch zu sein?
Noch mal zurück: Die Inklusion ist auf der Ebene der "großen" Teilsysteme kein Problem, weil sie dort sehr allgemein greift. Wirtschaftlich ist ja jede/r inkludiert, weil jede/r bezahlen kann oder nicht bezahlen kann. Wirtschaftlich ist alles der Fall was im Code zahlen/nicht-zahlen abläuft. Personen, die Geld haben, sind dann genauso inkludiert wie Leute, die kein Geld haben und deshalb auf der "Negativseite" relevant werden.
Ich glaube es geht nicht um die Rolle, sondern um die Position. Inklusion bedeutet nicht Gleichmacherei (wobei man in den Niederlanden von lernen spricht, wenn man lehrt). Die Schwachen wurden früher ins sichtbare Zentrum der Gruppe gestellt. Ein Ursprungsgedanke für die Gründung von städtischen Gemeinschaften war der Wunsch nach Sicherheit und solidarischer Überlebensstrategie. An der Kirche versammelten sich die von Krankheit und Armut gezeichneten für jederman erkennbar. Dies hat mituntner auch eine positive Funktion für die "gesunde" Gemeinschaft, die anhand des Unterschieds erkennt, dass es ihr noch gut ergeht. Dies erleichtert den Hilfebedürftigen eine soziale Bedeutung zu entwickeln, wenn sie Aufgaben übernehmen und nützlich sind.
AntwortenLöschenDas uns vertraute Gegenbild sind Wohneinrichtungen, Psychatrien oder Siechenhäuser am Rande der Siedlung. In Schweden wurden stationäre Unterbringungen nahezu abgeschafft, hier gibt es immer mehr kostengünstigere WG's mit Kontakt zur Nachbarschaft.
Der ganzen Sache unterliegt ein normativer Aspekt, wenn Behinderte in die Mitte der Gesellschaft gerückt werden sollen. Es geht um die Haltung. Humanitäre Galas etwa haben (als Gegenpol) etwas Herabsetzendes, weil sie über die Not anderer eine Eigendefinition bilden.
Für die Übertragung auf das Handlungsfeld "Ausbildung" kann ich daraus noch nichts ableiten und bin auf weitere Gedanken gespannt. Jedenfalls werden Auszubildende nach und nach zu einem Teil der Gruppe der Berufstätigen. Bringen sie erwartete Leistungen und erfüllen Erwartungen, erhöht sich ihr Wirkungsgrad und ihre Mitgliedschaft.
Hm, früher gab es Michel Foucault, der u.a. "Überwachen und Strafen" geschrieben hat und die systematische Exklusion, Stichwort "Narrenschiff", ganz gut beschreibt.
AntwortenLöschenDass man am Unterschied lernt, möchte ich gerne bestätigen.
Noch etwas zu "früher", eine persönliche Erfahrung, die Deine Beschreibung zum Teil bestätigt:
Die Schule, in der ich meinen Zivildienst absolvierte, war schön im Wald gelegen, völlig abseits vom Zentrum. Unsere Fahrten in die Stadt waren immer Abenteuer, wie würden die Leute auf eine Gruppe von "Verrückten" reagieren. Ich muss gestehen, dass ich es manchmal genossen habe, am Andersein der Schüler teilhaben zu dürfen.
Im Moment denke ich Gesellschaft ja nicht mehr als Ansammlung von Leuten und wenn man vom Zentrum der Gesellschaft spricht, dann versuche ich einen nicht-räumlichen Blick. Gesellschaft ist für mich die laufende Kommunikation. "Zentrum der Kommunikation" würde dann für mich gleichbedeutend mit "Zentrum der Gesellschaft" sein. Mit der Sicht ändert die räumliche Verlagerung von Behinderteneinrichtungen in die Stadtzentren noch nichts an der Relevanz der Personen.
Zur Ausbildung: Auch hier geht es systemtheoretisch beobachtet nicht um eine Gruppe von Leuten, sondern um die Etablierung kommunikativer Adressen, mit denen die daran gekoppelten Individuen irgendie "klar kommen" müssen. In unserer kooperativen Ausbildung entstehen in der IMBSE-Organisation "Hilfsbedürftige", die unserer Hilfe bedürfen, in der Wirtschaftsorganisation entstehen "Auszubildene", die jedoch oft als "Praktikanten" beschrieben werden, in der Berufsschule bleibts beim altbekannten "Schüler". Das ist - aus meiner Sicht - ein Rollenmix, der schwer verdaubar ist und Inklusion (Mitglied einer Organisation, Übernahme einer "Leistungsrolle") nicht unbedingt erleichert.
In ganz vielen Bereichen stehe ich außerhalb des Zentrums der Kommunikation. Wenn ich mit jungen Erwachsenen mit Behinderung Zeit verbringe, erkenne ich wie gut sie an kulturellen (Massen-)Diskursen teilnehmen - wenn auch mehr im Unterhaltungssektor. Sie feiern ganz groß Karneval, tümmeln sich in Großveranstaltungen, kennen sich ob Fernsehen, Musik oder Komedy richtig gut aus. Ich kann hier nur bedingt mitreden oder bin z.T. außen vor, also nicht inkludiert : ). Die offene Form ihrer zigfachen Einladungen genieße ich, da steckt für mich viel erfrischende "Normalität" drin. Nimm andere Diskurse, da stehe ich in der Gruppe kommunikativ allein auf weiter Flur bzw. besteht hier je nach Gruppenkonstellation eine natürliche Exklusion andersherum.
AntwortenLöschenEs klingt sicher banal, aber warum sollte ein "geographisches" Zentrum sich nicht auch dem kommunikativen Zentrum annähern? Vielleicht ist's ja viel simpler als gedacht. Auf dem Marktplatz gibt es viel mehr Möglichkeiten Foucault'schen Diskursträgern zu begegnen als im Wald.
Der Zuschreibung von Hilfebedürftigkeit kann ich eingeschränkt zustimmen. Den komplementären Aspekt darf man nicht vergessen..
Im Sinne der zu erbringenden Dienstleistung und Adresse trifft es zu. Doch andersherum helfen uns die Kunden, eine berufliche Existenz zu sichern. Und der Auftraggeber benötigt unsere Hilfe, sonst würde er das Programm allein stemmen. Viele Unternehmen suchen händeringend Nachwuchs.
Ich kann allem, was gesagt wird, gut folgen. Ich vermute, dass der Unterschied unserer Positionen daher rührt, dass die Theorie, der ich auf der Spur bin, zunächst eine extreme Entfernung vom üblichen, auf-der-Hand-liegenden, alltagtauglichen Beobachterpunkt unternimmt. Als Beispiel dieser extremen Position könnte man die Aussage "Die Kommunikation kommunziert" nehmen. Unsere momentan beobachtbare Kommunikation könnte als Beispiel in den Blick geraten, dass zeigt, dass die Kommunikation zwar unter der Beteiligung von Bewusstsein entsteht, aber nicht ein Austausch von Information A nach B ist. Es wäre möglich, dass nicht unsere beiden Bewusstseine beteiligt sind sondern irgendwelche. Ob Du, ich, er, sie, Mister x, Madame soundso, die Kommunikation befeuern, ist völlig unerheblich. Die Kommunikation ist nicht mehr zurückführbar auf das Bewusstsein von HM oder TL. Sie führt sich, unter der Bedingung von gekoppelten Bewusstseine eigenständig fort. Und im Alltag, in der Interaktion (Beobachtung I. Ordnung) ist diese Kommunikationstheorie sicherlich sperrig, nicht-evident und geradezu unbrauchbar und hinderlich.
AntwortenLöschenIch stell mir gerade ein neuronales Netzwerk ohne Anfang und Ende mit unendlich vielen Synapsen vor, die sich gegenseitig aktivieren und Signale leiten und verändern. Dann erübrigen sich die Fragen, wie..
AntwortenLöschenGibt es subjektfreie Kommunikation? Oder ist die Kopplung der Bewusstseine sowas wie transsubjektiver Kommunikation? Wessen Kommunikation kommuniziert eigentlich? Dann hättest Du wieder ein Personalpronomen /-problem. Kann man sie "besitzen" oder bloß jemandem "zuordnen"? Bei Foucault werden (Über-)träger und Konstrukteure von Diskursen unterschieden, glaub ich. Sichtbar wird dies in Hierarchien und Anordnungen, wenn man fragt: "Woher weißt Du dass xy..", "Wie kommst Du darauf, dass.." kann man angeblich Wirklichkeitskonstruktionen analysieren.
Hi Tarek,
AntwortenLöschendass es subjektfreie Kommunikation "gibt" liegt ja auf der Hand. Hier kommunizieren, bis gerade eben, die "Startbahn Beruf" mit der "IMBSE Akademie".
Gut, die Entwicklung der Vorstellung, es gebe Subjekte, Individuen ist, glaub ich, noch recht jung. Natürlich bin ich mit dem Gedanken aufgewachsen, ein Subjekt und Individuum zu sein. Aber "die Chinesen" sind lange Zeit ohne diese Vorstellung zurecht gekommen. Meine Übung besteht ja darin, Beschreibungen von Situationen anzufertigen, die nicht auf Subjekte, Akteuere, Handlungen abstellen.
Leider spreche/schreibe ich kein Chinesisch, aber ich stelle mir vor, dass sie ganz andere Möglichkeiten haben, Situationen zu beschreiben.
Jetzt noch was zum neuronalen Netzwerk: Aus meiner Sicht ermöglicht ein funktionierendes neuronales Netzwerk noch keine Kommunikation. "Dazwischen", mein Gott, hoffentlich liest das niemand ;-), sind die Bewusstseine, sozusagen als Kopplung zwischen Organismus und Sozialem.
LG
harald
Vielleicht ist die Kommunikation das Subjekt :)
AntwortenLöschenDie Griechen bezeichnen das "Dazwischen" als Logos und göttlichen Funken. Während Vox das Ausströmen oder so was wie die Stimme ist.
Und es gibt ein physikalisches Experiment, wo wiederholt nachgewiesen wurde, dass die Beobachtung auf unerklärliche Weise das sichtbare Ergebnis beeinflusst. Ein Rätsel. Mi. Trommen hatte mir davon erzählt, ist sehr interessant.
Also: immer dann wenn man hinguckt, wird das Ergebnis anders.
AntwortenLöschenDass die Beobachtung die Ergebnisse beeinflusst, ist ja die Grundlage des radikalen Konstruktivismus'. Gab es nicht in den 1920igern das Experiment mit Teilchen und Wellen, je nachdem wie ich die Beobachtung anfertige, erhalte ich Teilchen oder eben Wellen als Beobachtungsergebnis? Kommt das aus der Quantentheorie? Ich kann das als Analogie ganz gut gebrauchen. Im sozialen Bereich ist die Wirklichkeit ja noch weicher (oder härter) als in der Physik. Eine Übung zur "Weichheit" bzw. zum systemischen Denken von Varga von Kibed (er hat die Übung von Gregory Bateson übernommen, Batesons Beschreibungen würden Dir, glaube ich, gefallen, ich verstehe nicht, was er schreibt), also die Übung: Eine Mutter sagt zu ihrem Kind: "Wenn du den Spinat isst, bekommst du ein Eis." Aufgabe: Überlegen sie Kontexte, in denen das Kind Spinat mag/nicht-mag, überlegen sie Kontexte, in denen das Kind Eis mag/nicht-mag, überlgen sie Kontexte in denen das Kind die Mutter mag/nicht-mag. Wenn man die Übung mit einer großen Gruppe macht, bekommt man erstaunlich viele und plausible Wirklichkeiten präsentiert.
AntwortenLöschenLG
harald
Kind mag Spinat, wenn es danach Eis gibt.
AntwortenLöschenKind mag kein Eis, wenn es vorher Spinat essen muss. In der spezifischen Geschichte: Kind mag fast immer Eis und Kind mag nie Spinat.
Kind mag Mutter, wenn sie ihm Eis gibt... hmmm geht nicht.
Kind mag Mutter nicht, wenn es Spinat essen muss... sie ihm droht.
Lustig