Freitag, 11. Oktober 2013

Wie integriert ist meine Oma?



Am Mittwoch habe die Integrationskonferenz Ratingen besucht. Abgesehen davon, dass ich die Veranstaltung prima fand und den Vortrag von Prof. Dr. Klaus Bade gerne gehört habe, blieben meine Gedanken doch sehr an dem Begriff der Integration hängen. Dazu ist sicherlich bereits alles gesagt. Herr Bade hat sich, wenn ich mich recht erinnere, auf eine Definition von Michael Bommes bezogen, der mit Kriterien operiert. Es gibt alle möglichen Definitionen, gerade aktuell wird die Unterscheidung Integration/Inklusion häufig in den Blick genommen. Meine Kritik setzt an zwei Punkten an:
Die Vorstellung, man könne sich in die Gesellschaft integrieren oder nicht, weist auf ein Bild der Gesellschaft hin, dass eine überschaubare Zahl von Menschen in den Blick nimmt, eine Gruppe, deren Teil man ist oder nicht. Ist die (deutsche) Gesellschaft eine Ansammlung von Menschen auf einem abgrenzbaren Territorium? Mit einem solchen Verständnis, auch wenn es vielleicht etwas differenzierter gebaut ist, kommt man soziologisch nicht weiter. Wenn man „die“ Gesellschaft theoretisch nicht fassen kann, weil einem die Sprache fehlt, dann sollte man erst gar nicht von Integration sprechen.

     Wie integriert ist meine Oma in die Gesellschaft? Sie nimmt nicht Teil am Bildungssystem, sie kauft nicht ein, sie ist nicht erwerbstätig, sie nimmt nicht am öffentlichen Leben teil,…
Niemand würde eine Integrationsdebatte an die Situation vieler exkludierter Menschen anschließen.
Integration ist immer die Messlatte, die gelegt wird, wenn es um Menschen mit MH (migrationshintergrund) geht. Die „Mehrheitsgesellschaft“ lässt die anderen über das Stöckchen „Integration“ hüpfen und entscheidet dann, ob es geklappt hat. Die Messlatte kann nach Belieben verändert werden, und der Diskurs über gelungene Integration wird immer von der „Mehrheitsgesellschaft“ geführt. Es ist ein Herrschaftsdiskurs, der mir übel aufstößt und ich würde mir wirklich wünschen, dass Integrationskurse nicht Integrationskurse heißen, sondern dass sie im Titel bereits darauf hinweisen, worum es denn konkret geht (Sprache? Recht? Geld?).

Abgesehen davon, dass der Gedanke der Integration mit einem unterkomplexen Verständnis von Gesellschaft einhergeht, sollte alleine die offensichtliche und immer mitschwingende Asymmetrie (hier wir, die Deutschen, dort die integrationswilligen, -unwilligen Ausländer) Grund genug sein, über Integration lieber zu schweigen.Vielleicht müsste man vielmehr den Begriff der Inklusion etwas von der Debatte behinderter/nicht behinderter SchülerInnen lösen und untersuchen, wie Inklusion von Personen in Organisationen beobachtbar ist. Denn wenn wir eben nicht die großen Worte über "die Gesellschaft" wählen, dann landen wir auf der spannenden Ebene der Organisationen, die völlig eigenmächtig, ungerecht, eigennützig entscheiden können (müssen), wer Mitglied sein soll und wer nicht.